Der saarländische Bergmannswohnungsbau nach dem 2. Weltkrieg 1945 bis 1959
Wenn man als Zeitzeuge gebeten wird, aus eigener Anschauung etwas über die Anfänge des Bergmannswohnungsbaues nach 1945 zu berichten, steht man vor keiner leichten Aufgabe.
Zuviel ist über diese Entwicklung schon geschrieben worden, zuviel ist auch für einen, der diese Zeit miterlebt hat, selbstverständlich. Man ist daher unsicher, was für die Nachwelt wissens- und deshalb erwähnenswert sein könnte. Im Zweifel möchte man die eigene Meinung vorsichtshalber lieber ungesagt lassen, was allerdings zur Folge haben könnte, daß dabei auch wichtige Fakten für immer verlorengehen.
Bei allem gebotenen Bemühen, Wiederholungen und Gemeinplätze zu vermeiden, darf einen schließlich nicht der Mut verlassen, Zusammenhänge aufzuzeigen, die nach eigener Einschätzung für die spätere Entwicklung von Bedeutung gewesen und welche Ursachen für sie maßgebend gewesen sind. Nicht immer ist das, was rückblickend als gut und richtig erkannt wird, in der Zeit als es geschah, unumstritten gewesen.
Der Gedanke der Eigenleistung beim Eigenheimbau, auf den sich der Erfolg der saarländischen Lösung des Wohnungsproblems nach dem 2. Weltkrieg in Wahrheit gründet, war, was heute oft übersehen wird, ein solcher häufig umstrittener Punkt. Es bedurfte zeitweise des rückhaltlosen persönlichen Einsatzes der Betriebsräte des Saarbergbaus und auch saarländischer Gewerkschaftsvertreter, um diese Eigenleistung, vor allem, wenn sie über Jahre hinweg erbracht werden mußte, wie dies bei Bauvereinen der Fall war, kritischen Stimmen gegenüber zu verteidigen.
Aus der Reihe der Betriebsräte fallen dem Chronisten dabei spontan Namen wie Josef Ditzler, Peter Nehren, Anton Hehl und Paul Schommer und unter den Gewerkschaftsvertretern Johann Dreher, Günter Schacht und Paul Siebert ein. (Diese Erwähnung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)
Ähnliches gilt auch für die Hinnahme des zeitweiligen Verzichts der Belegschaft auf das in die Stiftung fließende Wohnungsgeld, ohne den es eine Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter nie gegeben hätte. Man brauchte als Arbeitnehmervertreter schon einen "breiten Rücken", wenn man damals diesem Verzicht im Interesse des übergeordneten sozialen Ziels offen das Wort geredet hat.
Andererseits sollte man auch nicht außer acht lassen, daß Sellos zu Recht viel zitierte und gepriesene Denkschrift von 1841 allein nicht ausgereicht hätte, das saarländische Wohnungsbauförderungssystem bis heute am Leben zu erhalten.
Viele "Sellos" sind auch späterhin in der Leitung des Saarbergbaues nötig gewesen, um diese Kontinuität zu gewährleisten. Einige von ihnen trugen sogar, um der Wahrheit die Ehre zu geben, französische Namen, wie etwa Robert Baboin und Jean Holtzer, andere wiederum standen, wie der "Vater" der saarländischen Lösung, Leopold Sello, auf dem Boden deutscher Bergbautradition, wie Dr. Hubertus Rolshoven und Wilhelm Dietrich. Der Kampf um die Beschaffung der notwendigen Darlehensmittel war zu allen Zeiten schwierig. Ob sie dem zuständigen französischen Ministerium oder den Anteilseignern der späteren Aktiengesellschaft abgerungen oder von der öffentlichen Hand als Ersatz für die im Saarland fehlende Kohlenabgabe erkämpft werden mußte, stets waren neben guten Argumenten Zähigkeit, Einfallsreichtum und Stehvermögen notwendig, wenn man nicht mit leeren Händen nach Hause kommen wollte.
Dem aufmerksamen Leser dieser Jubiläumsschrift wird nicht entgehen, wie viele unterschiedliche Geldquellen zu Gunsten unseres Bergmannswohnungsbaues mit beachtlichem Erfolg "angezapft" worden sind.
Durch diesen Einstieg ermutigt, wendet sich der Chronist nun seinem eigentlichen Thema zu.
Saarländische Wohnungsnot nach Kriegsende 1945
Über das Ausmaß der Kriegszerstörungen an Wohngebäuden im Saarland gibt es keine exakten Zahlen. Die einschlägigen Angaben beruhen auf statistisch nicht gesicherten amtlichen und halbamtlichen Schätzungen. Die Ergebnisse divergieren daher erheblich.
Der saarländische Genossenschaftsverband gibt die Zahl der durch Kriegseinwirkung zerstörten Wohnungen mit 60 900 an (Wohnungsbau saarländischer gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 1960, Seite 12). Die Regierung des Saarlandes, Ministerium für öffentliche Arbeiten und Wiederaufbau, spricht von 35 000 kriegszerstörten Wohnungen (Wohnungsbau an der Saar, 1954).
Der "Bau-Anzeiger für das Saarland" stellt in seinem Sonderdruck zum 5. Erscheinungsjahr fest: "Von Wohnhäusern mit einer bewohnbaren Fläche von insgesamt über 11 Mio. Quadratmetern waren fast 60 % zerstört." (Fünf Jahre Bauen an der Saar, Seite 4.)
Fest dürfte indessen stehen, daß von den bei Kriegsbeginn im Saarland vorhandenen 232 800 Wohnungen zwischen 15 und 30 % durch Kriegseinwirkung total zerstört worden sind.
Die unterschiedlichen Angaben dürften in der Hauptsache darauf beruhen, inwieweit sie partielle Zerstörungen und Beschädigungen miterfassen. ln den saarländischen Ballungsräumen gab es kaum Häuser, die keinerlei Schäden aufwiesen. Viele dieser kleineren Schäden wurden im Wege der Selbsthilfe sofort, wenn auch nur notdürftig, behoben, so daß sie in keiner Statistik aufgetaucht sind.
Die Zerstörungen und Beschädigungen von Wohnungen waren hauptsächlich durch Einwirkungen des Luftkriegs verursacht worden. Die meisten Totalschäden waren durch Explosivbomben entstanden, die die Gebäude bis in die Fundamente hinein erschütterten. Selbst wenn Mauerteile erhalten geblieben waren, so machten die Fundamentschäden gleichwohl einen totalen Abbruch notwendig.
Ein gleichfalls erheblicher Teil von Wohngebäuden war durch Brandbomben zerstört oder beschädigt worden. Die Braridauswirkungen erreichten vielleicht nicht den gleichen Zerstörungsgrad wie die Explosivbomben. Sie verhinderten jedoch in vielen Fällen die Wiederverwendung von kostbarem Baumaterial und hinterließen oftmals durch ihre Einwirkung auf Beton und Armierung versteckte statische Mängel. Schlie Blich spielte auch noch die freiwillige Zerstörung der sich zurückziehenden deut.schen Wehrmacht und Artilleriebeschuß der vorrückenden alliierten Truppen eine Rolle.
Aber es waren nicht nur die zerstörten Wohnungen, die den Saarländern bei Kriegsende fehlten. Zu den obdachlos gewordenen Bevölkerungsteilen traten auch diejenigen als Wohnungsnachfrager, die durch "nachgeholte" Ehen und Geburten zum Anwachsen der Bevölkerung beitrugen. Der hierdurch bedingte Bedarf wurde auf ca. 30 000 Wohnungen geschätzt.
Viele Saarländer, die vor dem Bornbenkrieg in andere ;eiIe Deütschlands geflüchtet waren, machter sich nach Kriegsende als sogenannte Rückwanderer auf den Heimweg. Kaum einer von ihnen fand seine frühere Wohnung heil und leer vor. Die Wohnungsämter hatten Obdachlose eingewiesen und die einzige Lösung für alle bestand im '"Zusammenrücken". Was in jener Zeit alles als Wohnung diente und bezeichnet wurde, übersteigt bei weitem das Vorstellungsvermögen vieler nachgeborener Bundesbürger. Es gab keine noch so kleine Ecke, die irgendwelchen Schutz gegen Witterung zu bieten versprach, die nicht als "Wohnung" belegt gewesen wäre. Der kleinste gemeinsame Nenner all dieser Provisorien war das Prinzip "ein Dach über dem Kopf".
Die Möglichkeiten der Selbsthilfe waren äußerst begrenzt. Das Geld hatte keine Kaufkraft. Baumaterial war im freien Handel nicht zu bekommen. Der begrenzte Schwarzmarkt war nur wenigen Privilegierten, das waren solche, die etwas Eintauschbares besaßen; zugänglich. Alle Anstrengungen der öffentlichen Hand waren in den ersten Nachkriegsjahren darauf gerichtet, Aufräumungsarbeiten voranzubringen, Notbrücken zu errichten, Verkehrshindernisse zu beseitigen, Versorgungsleitungen instand zu setzen und Schäden an öffentlichen Gebäuden notdürftig zu beheben. Diese Bemühungen banden nahezu alle verfügbaren Kräfte und Mittel.
Die Lage begann sich erst nach Einführung des französischen Franken am 20. November 1947 allmählich zu ändern. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte eine planmäßige Organisation des Wiederaufbaus beginnen.
An der Basis aller Bemühungen stand die Selbsthilfe. Jeder war an der Verbesserung der weithin unerträglichen Wohnungssituation interessiert und war bereit, Opfer dafür zu bringen. Hinzu kam das aus den gemeinsamen Kriegserlebnissen geborene Solidaritätsgefühl, das zur bereitwilligen Verwandten-, Nachbar- und Gemeinschaftshilfe beim Wiederaufbau führte. Fronterlebnisse und Bombennächte des 2. Weltkriegs hatten den einzelnen die eigene Hilflosigkeit und gleichzeitig den Wert fremder Unterstützung erfahren lassen. Das soziale Gewissen war durch das Gefühl der steten individuellen Bedrohung geschärft und motivierte zu gemeinsamen Problemlösungen. Diese wurden ohne viel Aufhebens mit größter Selbstverständlichkeit und ohne jegliches Selbstmitleid in Angriff genommen.
Eine solche typisch saarländische Gemeinschaftslösung beim Wiederaufbau waren die Ketteler-Vereine.
Die Idee der Bildung solcher Vereine geht zurück auf die sozialpolitischen Vorstellungen des Mainzer Bischofs Wilhelm Emanuel von Ketteler (1811 bis 1877), bekannt aus dem preußischen Kulturkampf.
Das Hauptziel der Ketteler-Vereine bestand darin, durch eine möglichst hohe Selbst- und Gemeinschaftshilfe Barkapital beim Bauen einzusparen, denn dieses war in aller Regel nicht vorhanden und eine Kreditaufnahme überstieg die finanziellen Möglichkeiten der saarländischen Durchschnittsfamilien.
Natürlich hing die Effizienz dieser Eigenleistung weitestgehend von den handwerklichen Fähigkeiten der Vereinsmitglieder, des organisatorischen Geschicks der jeweiligen Vereinsleitung und auch von dem Sachverstand des bautechnischen Beraters ab, dessen Hilfe sich die meisten Vereine zur Vermeidung gravierender bautechnischer Fehler bedienten.
Bereits im Frühjahr 1952 konnte in der Siedlung Lebach das 1 000. Ketteler Haus im Rohbau fertiggestellt werden.
Etwa 60 Ketteler-Vereine waren im Saarland in einer Dachorganisation zusammengeschlossen, die die gemeinsamen Interessen der saarländischen Ketteler-Vereine gegenüber Dritten artikulierte.
Bei der Dachorganisation wurde auch ein Schiedsgericht gebildet, das auf Grund von Schiedsverträgen über Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und ihrem Verein entschied.
Im Laufe der Jahre ihres Wirkens wiesen die Ketteler-Vereine doch eine Reihe von zunächst nicht erkennbaren Schwachpunkten auf:
- Die Dauer der Baudurchführung erwies sich in vielen Fällen als zu lang. Daraus ergaben sich psychologische und organisatorische Schwierigkeiten. Die Leistungsbereitschaft der Mitglieder erlahmte vorzeitig. Der inflationäre Preisauftrieb des französischen Franken und mangelhafte Aufzeichnung führten oftmals zu Abrechnungsproblemen
- Eine weniger homogene Zusammensetzung der Vereinsmitglieder, als dies bei den späteren Bergmannsbauvereinen und Bauinteressengemeinschaften der Fall war, führte zu vereinsinternen Spannungen. Es bestand oft Uneinigkeit über die Wertigkeit und damit die Vergleichbarkeit der jeweiligen Eigenleistung.
- Einige Vereinsleitungen wiesen Schwächen auf. Es fehlte oftmals die erforderliche bau- und abrechnungstechnische und auch die rechtliche Sachkunde zur Führung der Vereinsgeschäfte.
- Ein weiterer beobachteter Mangel lag in der oftmals dürftigen technischen Grundausrüstung der Vereine, die sie daran hinderte, die Eigenleistung aufzuwerten und im fehlenden bautechnischen Know-how.
- Gegen Ende der Bauzeit häuften sich die Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern und ihrem Verein und den Mitgliedern untereinander.
Der Chronist selbst hat in den frühen fünfziger Jahren zahlreiche Bergleute, Mitglieder von Ketteler-Vereinen, die gleichzeitig auch Darlehensnehmer der Stiftung für Wohnungsbau oder der Saarbergwerke gewesen sind, vor dem Ketteler-Schiedsgericht in Streitfällen mit ihrem Verein, die die Bauschlußabrechnung betrafen, vertreten. Das Rechnungswesen dieser Vereine wies mitunter erhebliche Mängel auf. Diese Feststellung soll die beachtliche volkswirtschaftliche und sozialpolitische Leistung dieser Vereine nicht in Frage stellen oder auch nur schmälern. Angesichts dieses beispiellosen Gemeinschaftswerkes sind die Mängel nur unbedeutende Randerscheinungen, was die Verantwortlichen für den saarländischen Bergmamswohnungsbau jedoch nicht daran gehindert hat, daraus Lehren zu ziehen.
Besonderheiten der Entwicklung des saarländischen Bergmannswohnungsbaus nach 1945
Der Bergmannswohnungsbau nach dem 2. Weltkrieg ist dadurch maßgeblich geprägt worden, daß die französische Grubenverwaltung, im Gegensatz zu ihrer Wohnungspolitik nach dem 1. Weltkrieg, ohne jede Scheu auf das historisch gewachsene und von der einheimischen Bevölkerung als typisch saarländische Lösung empfundene Wohnungsbauförderungssystem der früheren preußischen Bergverwaltung zurückgriff. Während sie in der ersten Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1935 ihre wohnungspolitischen Anstrengungen auf den Bau von Werkswohnungen beschränkte, hat sich die Verwaltung der Regie des Mines de la Sarre bereits 1948, d. h. vor der Gründung der Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter, schon zur Wohnungsbauförderung durch Hingabe von Baudarlehen entschlossen. 350 Millionen französische Francs hatte sie in zwei Tranchen dafür bereitgestellt.
Wenn man weiß, daß zahlreiche leitende Mitarbeiter der Regie des Mines de la Sarre bereits vor 1935 gleichfalls an leitender Stelle bei den Mines Domaniales Francaises tätig gewesen sind, wie z. B. der Verwaltungsdirektor Jean Holtzer und der Directeur de la Main d'oeuvre (etwa zu übersetzen mit Personaldirektor für den Bereich Arbeiter) Denis Montaut, fragt man sich unwillkürlich, was diesen Sinneswandel bewirkt hat.
Die beiden Vorgenannten haben neben Generaldirektor Baboin die Entstehung der Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter maßgeblich mitgestaltet und ihre Form und ihre Tätigkeit in den ersten Jahren beeinflußt.
Es spricht einiges dafür, daß gerade die in der ersten Zwischenkriegszeit von den leitenden französischen Mitarbeitern gemachten Erfahrungen diese davon überzeugt haben, der bodenständigen Arbeiterschaft ihre Traditionen zu belassen, ja, sie sogar noch darin zu bestärken.
Es wurde auch auf anderen Gebieten keinerlei Versuch mehr unternommen, Sozialeinrichtungen des französischen Bergbaus im Saarbergbau ohne Anhörung oder Mitwirkung der gewählten Belegschaftsvertreter im Saarbergbau einzuführen. Diese als weise und weitsichtig zu bewertende Haltung, die in der Stunde "0" keineswegs selbstverständlich war, hat die spätere politisch initiierte gemeinsame französisch-saarländische Verwaltung der Saarbergwerke erheblich erleichtert, um nicht zu sagen günstig beeinflußt. Sie erleichterte auch den späteren reibungslosen Übergang der Rechtsträgerschaft von den Saarbergwerken, Körperschaft des öffentlichen Rechts, auf die Saarbergwerke AG unter Wahrnehmung der Kontinuität auf dem Gebiet der Wohnungsbauförderung des Unternehmens.
Die Grundregeln der Darlehensvergabe waren mit denen der früheren preußischen Bergverwaltung fast identisch. Lediglich auf die sogenannten Baurayons (Beschränkung der Entfernung vom Arbeitsort) verzichtete man. Dagegen wies das neue Darlehenssystem eine für den Darlehensnehmer wichtige und wertvolle Ergänzung auf:
Die Baubetreuung durch das Bergbauunternehmen.
Während sich die preußisch-fiskalische Bergverwaltung auf die Abgabe von Typenplänen der Bauwerkmeister beschränkt, bot die Regie des Mines ihren Darlehensnehmern und denjenigen der StWB zusätzliche Leistungen durch Abschluß eines Betreuungsvertrages an:
Aus der Aufgabe der sogenannten Baurayons, durch die die Bergleute früher gezwungen worden waren, ihre Eigenheime nicht allzuweit von ihrem Arbeitsort entfernt zu errichten, entstand indessen ein neues Problem.
Die Förderungsmittel flossen überwiegend auf das flache Land, wo Bauplätze leichter zu haben, Verwandten- und Bekanntenhilfe eher verfügbar waren und das Ansparen von Eigenmitteln durch elterliche oder schwiegerelterliche Unterstützung schneller vonstatten ging.
Die Bergleute, die in den hauptsächlich von Kriegszerstörungen betroffenen Ballungsräumen mit städtischem Charakter, in denen die größte Wohnungsnot herrschte, lebten, kamen wegen des Fehlens der oben beschriebenen Voraussetzungen nur höchst selten in den Genuß von Baudarlehen. Sie erfüllten nicht die sogenannten Durchführbarkeitsbedingungen, insbesondere nicht den Nachweis des erforderlichen Mindesteigenkapitals, an die die Darlehensgewährung geknüpft war. Dieses Problem wurde sehr früh erkannt. Bereits ab 1950 bemühte man sich, es durch geeignete Maßnahmen zu lösen.
Welche Lösungsansätze kamen dabei in Betracht?
1. Unterstützung der städtischen Bergleute bei der sehr schwierigen Baulandbeschaffung in den Ballungszentren. Als solche galten die saarländischen Städte sowie das Sulzbach- und Fischbachtal und der Raum Völklingen.
Die Regie des Mines de la Sarre bemühte sich, wirksam unterstützt von ihren Betriebsräten und den Gewerkschaften, von den Gemeinden und dem Land baureifes oder erschließbares Baugelände für den besonders förderungswürdigen Kreis der Bergleute in Ballungszentren zu erhalten. Auch aus eigenem Besitz stellte die Regie des Mines de la Sarre und später auch die Saarbergwerke wiederholt geeignete Baugrundstücke zur Verfügung.
2. Nach dem Vorbild der Ketteler-Vereine wurden BauinteressengemeinschaftenBauinteressengemeinschaft Heiligenwald 1984 - 1987 (BIG) ins Leben gerufen, in denen sich bauwillige Bergleute zusammenschlossen. Wie bei den Ketteler-Vereinen sollte auch im Rahmen der BIG die Eigenkapitalbildung durch monatliche Pflichtsparleistungen in die Vereinskasse gefördert, durch die Wahl bestimmter Haustypen die Eigenleistungen vereinfacht, Sammelbestellungen ermöglicht und die Ausschreibungsvoraussetzungen verbessert werden; alles mit dem Ziel, die Entstehungskosten der Familienheime zu senken.
Die Selbstverwaltung dieser BIG war dabei stets sichergestellt. In die internen Angelegenheiten der Vereine konnte sich niemand einmischen.
3. Zur Vermeidung der bei den Ketteler- Vereinen festgestellten Schwachstellen bot die Verwaltung diesen Vereinen eine besonders intensive Betreuung an. Einerseits verpflichtete der Betreuungsvertrag den Verein, sich in Bezug auf die Haustypenwahl und die Geländeerschließung an die Empfehlungen der Bauabteilung der Grubenverwaltung zu halten. Das gleiche galt auch für die Ratschläge der Baudarlehensabteilung in Bezug auf die Gesamtfinanzierung des jeweiligen Bauvorhabens. Als Gegenleistung bot das Unternehmen diesen Vereinen höhere Baudarlehen als sie den sogenannten Einzelbauenden gewährt wurden, sowie eine Grundausstattung mit Arbeitsgeräten und -maschinen und unterstützte diese bei der Ersteinrichtung der Baustelle. Zeitweise wurden sogar LKW's zur Verfügung gestellt. Viel gewichtiger war jedoch eine intensive bautechnische, finanzielle und rechtliche Betreuung während der gesamten Bauzeit.
Durch dieses recht kostspielige Engagement des Unternehmens sollten hauptsächlich folgende Ziele erreicht werden:
- Verkürzung der Bauzeit mit einer Beschränkung der manuellen Eigenleistung der Bauherren auf ca. 2.000 bis 3.000 Arbeitsstunden. Eine örei Jahre überschreitende Bauzeit war als einer der Hauptstreßfaktoren bei den Ketteler-Vereinen erkannt worden.
- Die unumgängliche Eigenleistung sollte bei möglichst hochwertigen Gewerken eingesetzt werden und dadurch zu höherer Einsparung von Fremdkapital führen.
Einige Anmerkungen zur Gründung der Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter
Die Arbeits-, Lohn- und Gehaltsbedingungen des Personals der bergbaulichen Betriebe im Saarland waren durch Verfügung Nr. 47/77 des französischen Gouverneurs im Saarland vom 18. November 1947 festgesetzt worden.
Die die saarländische Belegschaft vertretenden Gewerkschaften strebten in der Folge die Angleichung dieser Bedingungen an das für den französischen Bergbau geltende Statut du Mineur (Bergmannsstatut) an. Bei grundsätzlicher Bereitschaft zur Angleichung der Arbeits-, Lohn- und Gehaltsbedingungen blieben 2 Punkte strittig: Die Übernahme der Hin- und Rückfahrtkosten von und zur Arbeitsstätte bei mehr als 4 km Entfernung durch das Unternehmen und die gleichzeitige Gewährung eines Wohnungsgeldes für die verheirateten Belegschaftsmitglieder.
Das für die Bewilligung der Mittel zuständige französische Ministerium sah die saarländischen Verhältnisse als mit den französischen nicht vergleichbar an. Wegen der großen Streuung der Wohnorte der saarländischen Bergleute und ihrer teilweise beachtlichen Entfernung vom Arbeitsort mußte die Regie des Mines mit der Erstattung wesentlich höherer Fahrtkosten rechnen, als dies bei französischen Bergbauunternehmen der Fall war. Dort war nämlich die Mehrheit der Bergleute in werksnahen bergwerkseigenen Wohnsiedlungen untergebracht.
Die Fahrtkostenerstattung war in Frankreich eher die Ausnahme, an der Saar war sie beinahe die Regel. Aus diesem Grund war das zuständige Pariser Ministerium nicht bereit, gleichzeitig auch noch das im Bergmannsstatut vorgesehene Wohnungsgeld für verheiratete Belegschaftsmitglieder zu bewilligen.
Die Verhandlungen drohten zu scheitern. Da entschlossen sich der damalige Industrie-Verband Bergbau und die Gewerkschaft Christlicher Saarbergleute zu einem Kompromißvorschlag.
Sie regten an, daß das Wohnungsgeld zwar gewährt werden, aber nicht an die Berechtigten ausgezahlt, sondern auf unbestimmte Zeit in einen Fonds fließen sollte, aus dem zinslose Baudarlehen an bauwillige Belegschaftsmitglieder ausgeliehen werden sollten.
Durch diesen Kompromiß wurde aus der Sicht der Belegschaft der Wohnungsgeldanspruch dem Grunde nach gerettet, wenngleich auch der Verfügung der Berechtigten auf Zeit entzogen; aus der Sicht des Bergbauunternehmens hingegen wurde dadurch eine liquiditätsmäßige Entlastung dergestalt erreicht, daß diese Mittel zunächst für die Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus zur Verfügung standen, die sonst in voller Höhe dem Unternehmen zur Last gefallen wären.
Daß der Wohnungsbau nicht nur sozial, sondern auch in Bezug auf die Arbeitsleistung der Bergleute ein vordringliches Problem darstellte, war dabei allen Beteiligten klar.
Trotz erheblicher Argumentationsschwierigkeiten beider Seiten gegenüber den jeweiligen Auftraggebern kam der Kompromiß schließlich zustande. Er führte zur Gründung der rechtsfähigen Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter mit dem Sitz in Saarbrücken am 12. Oktober 1949. Sie wurde am 14. November 1949 durch den zuständigen Innenminister der Regierung des Saarlandes genehmigt.
Das Wohnungsgeld wurde rückwirkend ab dem 01.04.1948 gewährt und wurde im Frankenzeitraum in der nachstehend angegebenen Höhe jeweils an die Stiftung abgeführt:
Danach setzten die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen durch, daß ab 01.01.1953 nur noch ein Teil des den Belegschaftsmitgliedern zustehenden Wohnungsgeldes der Stiftung zufließt, der Restbetrag sollte an die Berechtigten ausgezahlt werden. Es galt fortan folgende Regelung:
Das der StWB zufließende Wohnungsgeld blieb, solange diese Regelung galt, stets gleich. Der an die Berechtigten ausgezahlte Teil des Wohnungsgeldes veränderte sich wie folgt:
Diese Finanzierungsmethode der Stiftung wurde bis zum Jahr 1972 beibehalten. Danach wurde sie durch eine tarifvertragliche Regelung ersetzt.
Besondere Probleme des saarländischen Bergmannswohnungsbaues in der unmittelbaren Nachkriegszeit
1. Die Mittelknappheit im Rahmen der gemeinsamen Beleihungsprogramme der Regie des Mines de la Sarre und Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter.
In den ersten Nachkriegsjahren war der Bedarf an Baudarlehen wesentlich höher als die verfügbaren Mittel. Dies führte zwangsläufig dazu, daß die die Baudarlehen bewilligenden Gremien der Regie des Mines und der Stiftung für Wohnungsbau sozial gerechte und praktikable Auswahlkriterien entwickeln mußten, um die Baudarlehensprogramme zu steuern.
Das erstmals für das gemeinsame Programm der Regie/StWB 1951 entwickelte Punktsystem berücksichtigt die nachstehenden Kriterien:
- für jedes Dienstjahr bei den Saargruben 2 Punkte
- je Kind, das im Haushalt des Antragstellers lebt
(verheiratete Kinder ausgeschlossen) 5 Punkte
- Bau noch nicht begonnen 0 Punkte
- Kellergeschoß fertig 10 Punkte
- Rohbau fertig 30 Punkte
Daß sich dieses Auswahlverfahren bei Bewältigung der schwierigen Finanzierungsengpässe der Nachkriegsjahre bewährt hat und auch von der bauwilligen Belegschaft als gerecht akzeptiert worden ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß dieses Bewertungssystem mit einer gewissen Verfeinerung 1958 noch in Kraft war.
Es sah im einzelnen so aus:
Bewertungstabelle zur Ermittlung der Durchführbarkeit von Darlehensanträgen für das Programm 1958
II. Bei nicht begonnenen Bauvorhaben beträgt das in bar bzw. in bezahltem Baumaterial nachzuweisende Eigenkapital 600.000 Frs.
Ist da Bauvorhaben bereits in Angriff genommen, so muß die o.a. Bewertung gegebenenfalls auf 600.000 Frs. ergänzt werden
III. Die Punktbewertung für die sozialen Verhältnisse des Antragstellers bleibt wie bisher folgende:
für im Haushalt des Antragstellers lebende Kinder (einschl. Pflegekinder): 5 Punkte
für im Haushalt des Antragstellers lebende sonstige Verwandte: 2 Punkte
für jedes Dienstjahr des Antragstellers bei Saarberg : 2 Punkte
Eine weitere Folge der Mittelknappheit war, daß bis etwa 1953 keine "Luxus"-Einrichtungen in die Finanzierung aufgenommen wurden, dazu zählte bereits ein Bad, generell aber alle Plattenarbeiten, alle Sonderausstattungen und erst recht alle nicht zu reinen Wohnzwecken dienenden Räume, wie etwa Ökonomiegebäude, Geräte- und Wirtschaftsräume. Die Errichtung von Geschäftsräumen aus Darlehensmitteln führte zur fristlosen Darlehenskündigung.
2. Die inflationäre Tendenz der französischen Währung.
Ein bedeutsames Erschwernis bei der Wohnungsbaufinanzierung der unmittelbaren Nachkriegszeit war die zunächst noch moderate, später aber immer stärker werdende inflationistische Tendenz des französischen Franken.
Das im Rahmen der Bauausstellung in Bexbach von August bis Oktober 1949 errichtete Typenhaus der Regie des Mines de la Sarre war noch zu einem Preis je Kubikmeter umbauten Raumes von rund 2.740 Frs. errichtet worden.
Die Durchschnittskosten eines von der Regie des Mines/Saarberg oder der Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter geförderten Bergmannshauses betrugen bereits 1953/54 4.500 Frs. und 1957/58 sogar 8.000 Frs. je Kubikmeter umbauten Raumes. .
Zwar wurden die bergbauseitigen Baudarlehen von zunächst 300.000 Frs. je förderungswürdiges Bauvorhaben auf 500.000 Frs. (bis Programm 1953 einschließlich), danach auf 900.000 Frs. (bis 1957) und schließlich in der Endphase der Frankenzeit auf 1.200.000 Frs. erhöht, die rasante Kostensteigerung war aber damit allein nicht aufzufangen.
Die seit Juni 1952 im Saarland anlaufende Wohnungsbauförderung kam auch dem Bergmannswohnungsbau zugute. Die Restfinanzierung der Bergmannseigenheime wurde ab diesem Zeitpunkt durch öffentliche Baudarlehen sichergestellt.
Die durchschnittliche Höhe dieser Restfinanzierungsdarlehen je gefördertem Eigenheim spiegelt die inflationäre Entwicklung deutlich wieder:
1953: 795.000 Frs.
1954: 620.000 Frs.
1975: 740.000 Frs.
1956: 1.026.000 Frs.
1957: 1.307.000 Frs.
In den Jahren der galoppierenden Inflation kam es nicht selten vor, daß bei einem sich über 2 bis 3 Jahre erstreckenden Bauvorhaben 2 - 3 Nachfinanzierungen erforderlich wurden, wofür in jedem Fall ein neuer Finanzierungsplan erarbeitet und eine erneute Beleihungsprüfung vorgenommen werden mußte; ein ganz erheblicher Zusatzaufwand für die Betreuer.
Zu Beginn der DM-Zeit lag der Kubikmeter-Preis eines Bergmannseigenheimes mit Einliegerwohnung bei etwa 90 DM je Kubikmeter (amtlicher Umrechnungskurs am 05.07.1959: 0,8507 DM für 100 Frs.)
Schlußwort
Der Chronist möchte seine Betrachtungen auf den Zeitraum beschränken, in dem das Saarland zum französischen Währungsbereich gehörte. Diese Zugehörigkeit endete am 5. Juli 1959. Bis dahin waren zwar beachtliche Erfolge erzielt worden. Das Wohnungsproblem war aber bei weitem nicht gelöst.
Der saarländische Wohnungsbestand umfaßte Ende 1958 268.000 Wohnungen. Dies waren 15 % mehr als vor dem Krieg.
Allerdings wurde Ende 1958 der Fehlbestand an Wohnungen nach Ermittlung des statistischen Amtes noch auf immerhin 44 000 Wohnungen geschätzt.
Für die Richtigkeit dieser Schätzung sprechen auch saarberginterne Zahlen aus jener Zeit. Trotz erheblicher gemeinsamer Anstrengungen des Unternehmens und der Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter befanden sich im November 1958 im werkseigenen Wohnungsbestand noch 351 Behelfs- und Notwohnungen, von denen 41 barackenähnliche Unterkünfte waren. Der größte Anteil an diesen Problemwohnungen entfiel auf die damaligen Bergwerksdirektionen Sulzbach (147) und Jägersfreude (99)
Das Fortbestehen objektiver Wohnungsnot selbst 13 Jahre nach Kriegsende verdeutlicht die Brisanz des sozialen Problems, dessen Lösung sich Saarbergbau und die Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter nach Beendigung des 2. Weltkrieges verschrieben haben.
Allen, die dabei mitgeholfen haben, mag es mit Genugtuung erfüllen, daß die Mühen nicht umsonst gewesen sind.